Und dann war da das Eichhörnchen
Mehr als nur eine Stellschraube
Wer vorgibt, dass ein komplexes Problem eine einfache Lösung hat, lügt und täuscht seine Bürger. So geschehen gestern Abend in einer Diskussionsrunde zum Thema „Bezahlbares Wohnen“. Es ist schon erstaunlich wie unstrukturiert und wirr den Moderator und einige „Experten“ argumentierten. Während die Vertreter des „linken und sozialen“ Spektrums das Heil ausschließlich in einer Preisstopp- und Verbotspolitik sehen, die in letzter Konsequenz in eine Enteignung und eine sozialistische Planwirtschaft führt, sehen die „neo-liberalen und –per se-unsozialen Nicht-Gutmenschen“ die Erlösung im freien Spiel der Mächte und einer starken Expansion des Neubaus. Aus meiner Sicht ist das Eine genauso falsch wie das Andere.
Kurzsichtig und zu weit weg
Das Hauptproblem des Wohnungsmarktes, dies wird von niemanden bestritten, sind die stark steigenden und zu hohen Mieten. Die Miete ist ein Preis und bildet die Knappheit der Ware Wohnen ab. Wenn man dem Vorschlag des einen Flügels folgt und die Mieten einfriert, würde dem Markt sein Regulierungsinstrument entzogen. Der (Miet-) Wohnungsmarkt würde komplett verrückt spielen. Der zweite Vorschlag zielt auf eine Ausweitung des Angebots an (Miet-) Wohnungen, die dann langfristig zu einer Preisstagnation bzw. –rückgang führen soll. Dieser Weg wird nur mittel- bis langfristig zu dem gewünschten Effekt führen. Es besteht also eine Zwickmühle aus akutem Problem und einer langfristig richtigen Wohnungspolitik. Wer jetzt den Beelzebub mit dem Teufel austreiben will und die Mieten einfriert, der befriedigt lediglich kurzfristig seine Wähler und verschärft die Wohnungsnot mittelfristig.
Ein Ansatz
Die Politik argumentiert, sie fördere den Wohnungsbau. Dies ist insoweit richtig, als das sie den Bau und den Erwerb von Wohneigentum fördert. Sie fördert nicht den Bau von Mietwohnungen. Allein aus dieser Tatsache ergibt sich ein möglicher Handlungsansatz für die Politik, denn sie könnte auch den Bau von Mietwohnungen fördern. Sie könnte ihn sogar sozial ausgestalten z.B. die Förderung an die Einkommensgrenzen des München-Modells knüpfen. Doch der Teufel ist ein Eichhörnchen und das ist jetzt da.
Die Grundlage
Wer bauen will braucht Bauland. Das ist knapp und teuer. Dies liegt im Kern daran, dass der Eigentümer eines Grundstücks nicht das Recht hat auf seinem Eigentum ein Haus zu errichten. Dieses Recht erhält er erst durch eine staatliche Handlung. Der Staat bestimmt auch was der Eigentümer bauen darf. Im Grunde ist damit die mangelnde Baulandausweisung und damit die hohen Preise Staatsversagen. Wenn der staatliche Wille vorhanden wäre neues Bauland zu schaffen, dann stehen viele landwirtschaftlich genutzte Flächen im Fokus. Diese Flächen gehören jedoch zum überwiegenden Teil zu dem Betriebsvermögen des Landwirts. Gewinne müsste der Landwirt als Unternehmer versteuern und die Flächen entfallen für die Bewirtschaftung. Für ihn ein sehr schlechtes Geschäft, so dass er überhaupt kein Interesse an der Aufwertung seiner Grundstücke hat. Der Staat sollte in diesem Bereich dringend an einer Lösung arbeiten.
Ein Dickicht
Wer ein Haus errichtet muss unzählige Vorschriften beachten und sich auf eine sehr lange Genehmigungsdauer einstellen. Für diesen komplexen Sachverhalt steht exemplarisch der Stellplatznachweis. Bei jedem Bauantrag müssen gemäß den Vorschriften Kfz-Stellplätze auf dem eigenen Grundstück nachgewiesen werden. So müssen, wer in Starnberg eine 2 Zimmer-Wohnung mit 61m² Wohnfläche will, 2 Stellplätze nachweisen werden. Soll also eine kleine Wohnanlage mit 10 Wohnungen mit durchschnittlich 65m² Wohnfläche pro Wohnung errichtet werden, muss der Bauwerber 20 Kfz-Stellplätze nachweisen. Da der Nachweis nur mit einer Tiefgarage gelingt, steigen die Herstellungskosten des Gesamtgebäudes um ca. 500.000,- €. „Bezahlbares Wohnen“ ist so nicht machbar. Auch hier könnte der Staat an einigen Stellschrauben drehen oder Überlegungen anstellen.
Weniger ist doch mehr
Unsere Gesellschaft braucht ein innovatives Verkehrskonzept. Der Weg soll vom Individualverkehr hin zum öffentlichen Nahverkehr führen. Die Frage stellt sich dann, warum so viele Kfz-Stellplätze nachgewiesen werden müssen. Wäre ein Stellplatz pro Wohnung nicht ausreichend? Für unser Beispiel bedeutet dies bereits eine Reduzierung der Kosten um 50%. Könnten diese Stellplätze oberirdisch als Carports erstellt werden, könnten nochmals ca. 150.000,- € eingespart werden. Hierzu müsste geprüft werden, ob die versiegelte Grundfläche nicht ausgeweitet werden kann. Allein dieser Punkt zeigt das Einsparungspotential für günstigeres Bauen und dann zu „bezahlbarem Wohnen“. Auch am Ende des Herstellungszyklus des Mietshauses, dann wenn es in die Nutzungsphase geht, kann der Staat sozialpolitisch eingreifen und dem Vermieter Steuervergünstigungen gewähren, wenn an bestimmte Einkommensgruppen vermietet wird.
Ganz ohne Staat geht es nicht
All diese Ideen wären Eingriffe, die erst langfristig wirken. Gebraucht wird ein Aktionsprogramm, das kurzfristig die Mieten dämpft. Auch hier hat die Politik Instrumente, die bereits existieren. Erhaltungssatzung, Mietpreisbremse usw. sind geeignete Mittel. Das sie vernünftiger angewendet und umgebaut werden müssen, steht auf einem anderen Blatt. Die Politik muss sich jedoch darüber im Klaren sein, dass für Gering- und Geringstverdiener der freie Markt nie Wohnraum produzieren wird. Hier trägt der Staat alleine die Verantwortung, sei es über den Sozialwohnungsbau oder ein deutlich erhöhtes Wohngeld. Tatsächlich muss sich der Staat auch fragen lassen, warum er diese Gehaltsklassen überhaupt zulässt. Wäre es sinnvoller höhere Gehälter über einen Mindestlohn zu kreieren, um weniger im Wohnungsbau zu fördern?